A�mann, Adolph Richard,
Prof. Dr. phil., Dr. med. |
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Der Sohn eines Magdeburger Lohgerbers und Lederfabrikanten absolvierte nach einigen Jahren Privatunterricht und der Vorbereitungsschule ab 1855 das Domgymnasium seiner Heimatstadt. Nach dem Abitur begann er Ostern 1865 ein Medizinstudium an der Breslauer Universit�t, das durch seinen Milit�rdienst, eine medizinisch-milit�rische Ausbildung und den Feldeinsatz im deutsch-�sterreichischen Krieg (1866-67) unterbrochen wurde. Ende 1866 setzte er sein Studium in Berlin fort, wo Rudolf Virchow zu seinen einflu�reichsten Lehrern geh�rte. Hier promovierte A. 1869 zum Dr. med. und legte sein Staatsexamen ab. 1870 erhielt er die Approbation als praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer und lie� sich als Landarzt im nord�stlich von Berlin gelegenen Freienwalde nieder. Auch w�hrend des deutsch-franz�sischen Krieges sammelte er praktische Erfahrungen als Assistenzarzt in verschiedenen Feldlazaretten. Angeregt durch seine T�tigkeit als Landarzt, bei der er auf zahlreichen �berlandfahrten oftmals Wetterunbilden ausgesetzt war, besch�ftigte sich A. in Freienwalde ab 1875 intensiv mit Witterungskunde. Bereits 1877 geh�rte er zu den Korrespondenten der Deutschen Seewarte in Hamburg. Er betrieb neben seiner �rztlichen Praxis umfangreiche meteorologische Studien und richtete sich in seinem Wohnhaus ein privat finanziertes Observatorium ein, das er 1879 auf den Turm des neu erbauten Freienwalder Kriegerdenkmals verlegte. Auf Anraten seines Vaters siedelte A. mit seiner Familie Ende 1879 als praktischer Arzt wieder nach Magdeburg �ber. Hier betrieb er eine chirurgische Privatklinik, die er 1883 in ein Institut f�r Orthop�die, Heilgymnastik und Massage umwandelte. Im Rahmen seiner medizinischen T�tigkeit f�hrte A. in Magdeburg als Erster mit gro�em Erfolg die sog. schwedische Heilgymnastik ein, die er in Hamburg kennengelernt hatte. Auch in Magdeburg besch�ftigte sich A. intensiv mit Meteorologie und fand in seinen ehemaligen Schulkameraden, den Druckereibesitzern und Zeitungsverlegern Robert und Alexander Faber professionelle F�rderer seiner wissenschaftlichen Interessen. Die Br�der Faber erkannten das Informationspotential zuverl�ssiger Wettervorhersagen und finanzierten � nach dem Vorbild der K�lner Zeitung � den Bau und die Einrichtung einer modernen Zeitungswetterwarte neben dem Druckereigeb�ude in der Magdeburger Bahnhofstra�e. Es handelte sich um einen 34 Meter hohen Turm, der mit Ger�ten zur Messung und Registrierung des Luftdruckes, zur Bestimmung der Lufttemperatur, zur Messung des Niederschlags, der Windrichtung und Windgeschwindigkeit sowie einer Glaskuppel zur Beobachtung von Wetterph�nomenen ausgestattet wurde. Das Meteorologische Institut der Magdeburgischen Zeitung nahm als eines der modernsten seiner Art unter A.s Leitung am 1.11.1880 seine Arbeit auf. Zur Wettervorhersage kombinierte A. eigene Beobachtungen mit Daten anderer Wetterstationen in Europa, die die Magdeburgische Zeitung auf A.s Vermittlung per Sammeldepesche zweimal t�glich von der Deutschen Seewarte in Hamburg erhielt. Bahnbrechend wirkte A., indem er seine Wetteranalyse durch eine Wetterkarte erg�nzte, die ab dem 12.12.1880 als erste Zeitungswetterkarte Deutschlands regelm��ig in der Magdeburgischen Zeitung erschien. In Magdeburg gr�ndete A. 1881 den Verein f�r landwirthschaftliche Wetterkunde, f�r den er in kurzer Zeit 6.000 Mitglieder warb. Aus den Mitgliedsbeitr�gen finanzierte A. bis Ende 1882 den Aufbau eines eigenen mitteldeutschen Beobachtungsnetzes von mehr als 250 meteorologischen Me�stationen, die fl�chendeckend in der Provinz Preu�en, im Herzogtum Braunschweig und in Teilen Th�ringens errichtet wurden. A. erkannte zudem die herausragende Bedeutung einer Wetterstation auf dem Brocken f�r die Erforschung des zentraleurop�ischen Klimas und geh�rte in der Folgezeit zu deren entschiedenen F�rderern. 1884/85 f�hrte A. auf dem Brocken u.a. Forschungen zur Mikrophysik der Wolken durch. Zur Verbreitung seiner Erkenntnisse und zur Popularisierung der wissenschaftlichen Wetterkunde hob er 1882 mit der Monatszeitschrift f�r praktische Wetterkunde ein eigenes Periodikum aus der Taufe, das er ab 1884 unter dem Titel Das Wetter herausgab und bis zu seinem Tod 1918 redigierte. Nachdem die Magdeburger �rztekammer ihm im Oktober 1884 aufgrund fehlender Fachqualifikationen die Weiterf�hrung seines Instituts f�r Heilgymnastik und Orthop�die untersagte hatte, wandte A. sich beruflich endg�ltig der Meteorologie zu. Im April 1885 nahm er seinen Wohnsitz in Halle und schlo� hier, aus seinem reichhaltigen Magdeburger Datenmaterial sch�pfend, ein Zweitstudium der Meteorologie und Klimatologie an der philosophischen Fakult�t der Universit�t Halle in k�rzester Zeit mit Promotion und Habilitation ab. In Halle war A. anschlie�end kurzzeitig als Privatdozent t�tig, bevor er im April 1886 als wissenschaftlicher Oberbeamter an das reorganisierte K�nigliche Meteorologische Institut in Berlin-Gr�nau berufen wurde. Er �bernahm dort die Leitung der Abteilung f�r Gewitter und au�erordentliche atmosph�rische Vorkommnisse. Nach einer erneuten Habilitation an der Berliner Universit�t hielt er dort ab 1888 auch Vorlesungen. � A. widmete sich in seiner Berliner Zeit intensiv der wissenschaftlichen Erforschung der Erdatmosph�re. Er regte neue Forschungsmethoden und innovative Messverfahren an. So entwickelte er ab 1886 gemeinsam mit dem Berliner Feinmechaniker Rudolf Fuess (1838-1917), mit dem er bereits seit seiner Magdeburger Zeit in Kontakt stand, das nach A. benannte Aspirationspsychrometer. Dieses Instrument zur Messung der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit unter Ausschlu� der Sonnenstrahlung (ab 1892 von Fuess seriell gefertigt) setzte sich bis 1898 in der Meteorologie aufgrund seiner hohen Zuverl�ssigkeit als Normalinstrument zur Erforschung der freien Atmosph�re durch. Zudem verband A. seine meteorologischen Forschungen auf vision�re Weise mit den M�glichkeiten der aufstrebenden Luftschiffahrt. Zwischen 1888 und 1899 f�hrte A. mit Unterst�tzung der 1887 gegr�ndeten Luftschifferabteilung des Deutschen Heeres insgesamt 75 bemannte Ballonfahrten durch, mit denen u.a. bahnbrechende Erkenntnisse zur atmosph�rischen Schichtung der Troposph�re gewonnen werden konnten. Bereits 1894-97 initiierte A. eine Reihe von Registrierballonaufstiegen bis in H�hen bis zu 17 km und f�hrte als Erster � u.a. in Kooperation mit dem schwedischen Luftschiffer Salomon Andr�e und dem Russen Michail Pomortzeff � internationale simultane Ballonfahrten zur Untersuchung der vertikalen Temperaturverteilung in verschiedenen Regionen durch. Diese Pioniertat gilt bis heute als Geburtsstunde der synoptischen Aerologie und Aeroklimatologie. Auf A.s �Initiative hin wurde 1899 mit gro�z�giger F�rderung durch Wilhelm II. das Aeronautische Observatorium in Berlin-Tegel errichtet, dem A. bis 1914 als wissenschaftlicher Leiter vorstand. Ab 1901 bestand A. vorz�gliches Interesse in der Entwicklung und Perfektionierung geeigneter aeronautischer Techniken wie dem Einsatz von Fesselballonen und Flugdrachen, um die kontinuierliche ganzj�hrige Beobachtung meteorologischer Verh�ltnisse in gro�en H�hen sicherzustellen (erstmals durchg�ngig 1902/03 gelungen). Bereits 1901 f�hrte A. eine wichtige Neuerung, den mit der Firma Continental in Hannover entwickelten Gummiballon f�r gleichm��igen Aufstieg von Me�instrumenten in H�hen �ber 10 km, in die zeitgen�ssische Aufstiegstechnik ein. Mit ihrer Hilfe konnte er eine bereits 1894 von ihm entdeckte isotherme Schicht oberhalb einer H�he von 10 km (Stratosph�re) sicher nachweisen. Seine Ergebnisse wurden im Sommer 1901 endg�ltig durch eine Aufsehen erregende Ballonfahrt seines Mitarbeiters Arthur Berson und des Meteorologen Reinhard S�ring best�tigt, die in offener Gondel bis in eine H�he von 10.800 Metern vordrangen. A. gilt gemeinsam mit seinem franz�sischen Kollegen L�on Teisserenc de Bort als Entdecker der Stratosph�re. Beide hatten seit 1896 in wissenschaftlicher Kooperation die Temperaturkonstanz oberhalb 10 km durch wiederholte Experimente als �berregionales Ph�nomen nachgewiesen und ihre Ergebnisse nach Vereinbarung zeitgleich Anfang 1902 publiziert. Nach der 1905 erfolgten Verlagerung des Aeronautischen Observatoriums nach Lindenberg bei Beeskow verfolgte A. mit Akribie die Errichtung eines Netzwerkes von Pilotballon-Sondierungsstationen. 1910 initiierte er in Lindenberg die erstmalige Einrichtung eines st�ndigen Warnungsdienstes f�r Luftfahrer, der die �bermittlung von Gewittermeldungen durch 600 Post�mter landesweit organisierte. 1913 wurde in Lindenberg die weltweit erste Funkstation zur direkten �bertragung von Warnmeldungen in Betrieb genommen. F�r seine herausragenden Leistungen wurde A. 1892 zum Professor und 1900 zum Geheimen Regierungsrat ernannt. 1903 erhielt er gemeinsam mit Arthur Berson die Buys-Ballot-Medaille f�r die bedeutendste meteorologische Arbeit des zur�ckliegenden Dezenniums. Er schied im Oktober 1914 auf eigenen Wunsch aus dem Lindenberger Amt und lehrte bis 1918 unter schwierigen Bedingungen als Honorarprofessor an der Universit�t Gie�en. Nicht zuletzt durch seine langj�hrig betriebenen Zeitschriftenprojekte wirkte A. bis zu seinem Lebensende nachhaltig f�r die Popularisierung der Wetterkunde. Er gilt als Pionier der wissenschaftlichen Aeronautik und Mitbegr�nder der Aerologie.
Werke: Die H�mophilie, Diss. Berlin 1869; Aufruf zur Bildung eines Vereins f�r landwirtschaftliche Wetterkunde, 1881; Das Klima von Magdeburg, in: Hermann Rosenthal (Hg.), Fs. f�r die Mitglieder und Theilnehmer der 57. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte, 1884, S. ??-??; Winterbilder vom Brocken, 1884; Die Gewitter in Mitteldeutschland. Nach den Beobachtungen des Vereins f�r landwirthschaftliche Wetterkunde, Diss. Halle 1885; Die Nachtfr�ste des Monat Mai, 1885; Der Einflu� der Gebirge auf das Klima von Mitteldeutschland, 1886; Das Aspirations-Psychrometer. Ein Apparat zur Bestimmung der wahren Temperatur und Feuchtigkeit der Luft, 1892; (Bearb.) Das Klima (Handbuch der Hygiene, Bd. 1, Abt. 1, Lfg. 3), 1894; Wissenschaftliche Luftfahrten, ausgef�hrt vom Deutschen Verein zur F�rderung der Luftfahrt in Berlin (3 Bde), 1899�1900 (mit Arthur Berson); (Hg.) Beitr�ge zur Erforschung der Atmosph�re mittels des Luftballons, 1900; Die modernen Methoden zur Erforschung der Atmosph�re mittels des Luftballons und Drachen, 1901; Ergebnisse der Arbeiten am Aeronautischen Observatorium, 1902ff. (mit Arthur Berson u.a.); �ber die Existenz eines w�rmeren Luftstromes in der H�he von 10 bis 15 km, in: Sitzungsberichte der K�niglich-Preu�ischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse vom 1. Mai 1902), Bd. 24, 1902, S. 1-10; Ein Jahr simultane Drachenaufstiege in Berlin und Hamburg, in: Beitr�ge zur Physik der freien Atmosph�re 1 (1904), S. 35-46; Beitr�ge zum Klima von Norderney, 1908; Die Winde in Deutschland, 1910 (Reprint 1983); Das K�niglich Preu�ische Aeronautische Observatorium Lindenberg, 1915 � zahlreiche Aufs�tze in Fachpublikationen.
Literatur: NDB 1, S. 420; MBL, S. 17f.; Richard Wrede (Hg.), Das geistige Berlin, Bd. 3, 1898, S. 5f.; Arthur Berson/Reinhard S�ring, Ein Ballonaufstieg bis 10500 m, in: Illustrierte Aeronautische Mitteilungen, H. 4 (1901), S. 117-119; Johann C. Poggendorff, Biographisch-literarisches Handw�rterbuch, Bd. IV/1, 1904 und V/1, 1925 (W); Wilhelm Peppler, R. A. [Nachruf], in: Das Wetter. Monatsschrift f�r Witterungskunde 35 (1918),�S. 70-79; Arthur Berson, R. A. [Nachruf], in: Zs. f�r Flugtechnik und Motorluftschiffahrt 9 (1918), S. 110-113; Ewald Banse, Lexikon der Geographie, Band 1, 21933, S. 106; Karl Keil, Zum 25. Todestage R. A.s, in: Zs. f�r Angewandte Meteorologie/Das Wetter 60 (1943), H. 6, S. 182ff.; Karl Keil (Hg.), Handw�rterbuch der Meteorologie, 1950, S. 43; Lothar Rassow, 75 Jahre Wetterstation Magdeburg, in: Zs. f�r Meteorologie 9 (1955), H. 11/12, S. 322ff.; Paul Dubois, Das Obervatorium Lindenberg in seinen ersten 50 Jahren 1905-1955, 1955; Hans-G�nther K�rber, Vom Wetterglauben zur Wetterforschung, 1989; Klaus-Peter Hoinka, The tropopause discovery, definition and demarcation, in: Meteorologische Zs. N.F. 6 (1997), H. 6, S. 281-303; Hans-G�nther K�rber, Die Geschichte des Preu�ischen Meteorologischen Instituts in Berlin, 1997; Rutger Stolte, Wissenschaftliche bemannte Ballonfahrten aus den Jahren 1888 bis 1899 zu Berlin unter der Leitung von Professor R. A., in: Wetter und Leben. Zs. f�r angewandte Meteorologie 50 (1998), H. 3, S. 241-261; Karin Labitzke, Die Stratosph�re. Ph�nomene, Geschichte, Relevanz, 1999; Karl-Heinz Bernhardt, Zur Erforschung der Atmosph�re mit dem Freiballon � die Berliner wissenschaftlichen Luftfahrten (1888-1899), in: Eckart Henning (Hg.), Dahlemer Archivgespr�che 6 (2000), S. 52-82; Dietrich von Engelhardt (Hg.), Biographische Enzyklop�die deutschsprachiger Mediziner, Bd. 1, 2002, S. 22; Dieter Hoffmann (Hg.), Lexikon der bedeutenden Naturwissenschaftler, Bd. 1, 2003, S. 14f.; Hans Steinhagen, Der Wettermann. Leben und Werk R. A.s in Dokumenten und Episoden, 2005 (B).
Archivalien: Universit�tsarchiv Halle: Rep. 21 Abt. III Nr. 139; LHASA Magdeburg: Rep. C 23 Domgymnasium Magdeburg, Nr. 122 und Nr. 262; Stadtarchiv Magdeburg: Rep. 30/296; Archiv des Meteorologischen Observatoriums Lindenberg; Universit�tsarchiv Gie�en: PA R. A., PrA Phil Nr. 1.
Bildquellen: *Stadtarchiv Magdeburg (Fotographie); Meteorologisches Observatorium Lindenberg (�lgem�lde); Das Wetter. Sonderheft f�r R. A., 1915.
Guido Heinrich
�letzte �nderung: 17.04.2007